Direktor*innen-Dienstag #7

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Direktor*innen-Dienstag mit der Hamburger Kunsthalle

Hamburgs Museumsdirektor*innen stehen uns Rede und Antwort: Alle zwei Wochen beantworten sie 9 Fragen zu ihrem Haus, zum Beruf und zu sich. Heute begrüßen wir Prof. Dr. Alexander Klar, Direktor der Hamburger Kunsthalle.

1. Welche Stadt, welches Land bzw. welche regionalen oder kulturellen Einflüsse haben Sie in Ihrem Denken besonders geprägt?
Am stärksten wohl Athen, die Stadt, in der ich groß geworden bin und damit Griechenland, dessen Mentalität mich stark geprägt hat: Ich teile den Stolz der Griechen, einem Land mit großer Geschichte anzugehören, ich habe die Wut darüber verinnerlicht, dass die kleinen (Länder) schnell zum Spielball der Großen werden und ich habe als Kind erfahren, dass mein Geburtsland Deutschland in seinen besten Zeiten Griechenland uneigennützig unterstützt hat und in seinen schrecklichsten die grausamste Besatzungsmacht der Geschichte Griechenlands war. Stolz auf Kultur, Widerständigkeit und der Versuch, immer wieder andere kulturelle Blickwinkel einzunehmen, beeinflussen bis heute meine Haltung und mein Tun.

2. Seit wann leben Sie in Hamburg?
Seit Juli 2019.

3. Welche Museen, Kultureinrichtungen oder Gedenkorte haben Sie in Ihrer Arbeit nachhaltig beeinflusst?
Das Victoria and Albert Museum in London. Ein Museum, das sich vom „Dachboden der Nation“ zum glänzendsten Museum Londons entwickelt hat. Noch vor 15 Jahren war „the Nation’s Attic“, wie es halb bewundernd, halb abfällig genannt wurde, als eine gigantische Sammlung von Zeugnissen der Geschichte eher kein Besuchermagnet, seitdem hat es das Museum geschafft, diesen Reichtum an Objekten Millionen Besuchern schmackhaft zu machen.

4. Welche Ausstellung ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben und warum?
Vielleicht die Ausstellung „Requiem for the staircase“, eine Ausstellung über Treppen, die 2001 im CCCB in Barcelona gezeigt wurde. Mich hat damals die Erkenntnis fasziniert, dass man in einer Ausstellung die unsichtbaren Dinge des täglichen Lebens durch die kuratorische Betrachtung ihrer Alltäglichkeit entzieht und damit bisher Ungesehenes und Ungedachtes sichtbar und bedenkenswert macht.

5. Was ist für Sie persönlich die größte Herausforderung im Berufsbild des Museumsdirektors?
Ein Mann zu sein. Mit der Bezeichnung „Direktor“ verbindet sich noch immer eine etwas urtümliche Vorstellung von Alphatier, die ich nicht verkörpern möchte. Mich beschäftigt durchaus, dass mit mir abermals ein Mann die Reihe der männlichen Direktoren der Hamburger Kunsthalle fortsetzt, weil ich natürlich meine Entscheidungen auch daraufhin überprüfen muss, ob sie durch einen spezifisch männlichen Blick begrenzt sind. Das beginnt mit Ankaufsentscheidungen, bei denen ich mich um eine möglichst ausgewogene Geschlechterbalance bemühe, über Ausstellungsformate, die das berücksichtigen, bis hin zur Personalstruktur des Hauses.

6. Bitte stellen Sie uns mit einem Satz vor: das größte, das wertvollste und das wundersamste Objekt Ihrer Sammlung?
In dieser Zusammensetzung eindeutig Richard Serras „Measurements of Time“ im Sockelgeschoss der Galerie der Gegenwart. Wenn es nicht das Größte ist, dann mit 13 Tonnen Gewicht sicher das Schwerste. Da Richard Serra der derzeit teuerste lebende Künstler ist, gehört das Werk zu den wertvollsten des Hauses. Und wundersam ist es in jedem Fall: Es besteht aus vier Wellen in den Raum „brandendem“ Bleischrott, die zugleich irre schwer und visuell ungeheuer „leicht“ sind. Das Werk gehört zu den Wundern von Hamburg.

7. Welche Kooperation – ob mit Stiftungen, anderen Museen, Wirtschaftsunternehmen, sozialen Einrichtungen oder anderen – hielten Sie für besonders gelungen und warum?
Unsere gerade laufende Kooperation „Im Gehirn des Kindes“ mit dem Thalia Theater, dem Ensemble Resonanz und dem Deutschen Schauspielhaus: Hier haben sich die Künste einmal auf kongeniale Weise gegenseitig inspiriert. Anlässlich der Ausstellung DE CHIRICO. Magische Wirklichkeit beziehen sich die Künstler*innen der Theater und des Streichensembles auf das Werk Giorgio de Chiricos und haben eine Reihe von Videos produziert. Die aufgrund der Corona-bedingten Schließung unwirklich menschenleeren Räume der Ausstellung nutzen die Schauspieler*innen und Musiker*innen als Bühne einer magischen Wirklichkeit.

8. Welche Besucher*innengruppen wünschten Sie sich noch oder mehr in Ihrem Haus begrüßen zu dürfen? Welche Maßnahmen sehen Sie, diese erreichen zu können?
Kinder. Deren Eltern und Großeltern sollten wir für uns begeistern. Dann fände ich es schön, wenn berufstätige Männer zwischen 35 und 55 noch mehr zu uns fänden, für die Kultur sind die ein wenig verloren, weil zu beschäftigt mit Arbeit oder mit sportlich-sein. Dabei braucht ein gesunder Körper eindeutig auch einen gesunden Geist, den nichts so sehr beflügelt, wie die Beschäftigung mit der Kunst. Diese Zielgruppe erreichen wir aber nur, wenn wir Arbeitgeber dazu bewegen können, ihre Männer verpflichtend ins Museum zu schicken. Mal sehen, wie das im Business aufgegriffen wird. – zwinker –

9. Und schließlich: Was möchten Sie in Ihrem Museum noch erleben?
Im Museum erlebe ich gerade so vielfältig Interessantes, dass ich hier keine Wünsche hätte. Außerhalb des Museums würde ich gerne noch erleben, dass der Glockengießerwall von Fußgängern begangen, von Fahrrädern befahren und von Autos verlassen wird. Es liegt zu Füssen der Kunsthalle eine der potentiell schönsten Flächen der Stadt, die bis heute eine schnöde, stinkende und laute Autobahn ist. Dass die Hamburger das einfach so hinnehmen, wundert mich jeden Tag neu.

Vielen Dank!

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