Direktor*innen-Dienstag #14

Direktor*innen-Dienstag mit dem Museum der Hamburgische Geschichte

Hamburgs Museumsdirektor*innen stehen uns Rede und Antwort: Alle zwei Wochen beantworten sie 9 Fragen zu ihrem Haus, zum Beruf und zu sich. Heute begrüßen wir Prof. Bettina Probst, Direktorin des Museums für Hamburgische Geschichte.

1. Welche Stadt, welches Land bzw. welche regionalen oder kulturellen Einflüsse haben Sie in Ihrem Denken besonders geprägt?
Was mich sehr geprägt hat, war meine erste Reise nach Übersee, die ich allein nach Mexiko und Guatemala unternommen habe. Ich habe Geschichte und Lateinamerikanistik studiert, mich dabei viel mit Alexander von Humboldt beschäftigt. Was mich damals fasziniert hat – und noch immer fasziniert –, ist, welch unterschiedliches Verständnis Menschen und Kulturen über ihre eigene und die Geschichte anderer Menschen entwickeln können. Geschichtsdenken kann kulturell bedingt ganz anders ausfallen, Geschichte(n) und kulturelle Zeugnisse lassen sich ganz unterschiedlich betrachten, erzählen und deuten. Dies beeinflusst mich noch heute – auch und gerade in meiner Arbeit im Museum.

2. Seit wann leben Sie in Hamburg?
Genau genommen lebe ich in Hamburg und Berlin – das hat einfach private Gründe. Die Direktion im Museum für Hamburgische Geschichte habe ich am 2. November 2020 übernommen, exakt an meinem 55. Geburtstag. Ich bin ergo mehr oder weniger halb so alt wie das Museum, das ich leiten darf, und das im nächsten Jahr sein 100-jähriges Jubiläum feiert. Was für eine Aufgabe! Modernisierung und Neugestaltung des Hauses reizen mich sehr, beruflich und persönlich wollte ich auch einmal etwas Neues wagen… und Hamburg ist genau der richtige Ort, die richtige Stadt dafür!

3. Welche Museen, Kultureinrichtungen oder Gedenkorte haben Sie in Ihrer Arbeit nachhaltig beeinflusst?
Nachhaltig beeinflusst hat mich vor allem meine Tätigkeit in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und ganz besonders die Zusammenarbeit mit dem damaligen Generaldirektor Prof. Dr. Martin Roth. Das war nicht immer einfach, er hat uns allen sehr viel abverlangt und dabei so unglaublich viel bewegt. „Dranbleiben“ hat er immer gesagt. Er hat mir als Projektverantwortliche viel Freiheit und Entscheidungsspielraum gelassen. Das Ausstellungsprojekt „Nationalschätze aus Deutschland. Von Luther zum Bauhaus“, das wir von 2004 bis 2008 mit rund 20 Museen und Kultureinrichtungen aus den sogenannten neuen deutschen Bundesländern von Dresden aus in Bonn, Budapest und Warschau organisiert haben, hat nicht nur dem „alten Westen“ gezeigt, dass wesentliche kulturelle Entwicklungen gerade in den ostdeutschen Ländern ihren Ausgang nahmen. Die Reformation ist nur ein Beispiel. Es hat zu einer kulturellen Zusammenarbeit in Europa beigetragen. Die Zusammenarbeit mit den polnischen Kolleg*innen aus dem Warschauer Schloss hat mich dabei tief beeindruckt.

4. Welche Ausstellung ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben und warum?
Zwei Ausstellungen möchte ich hier nennen: zum einen „meine“ erste Ausstellung, an der ich als Praktikantin mitarbeiten konnte: „Amerika 1492-1992. Neue Welten – Neue Wirklichkeiten“. Heute würde diese Ausstellung angesichts der Debatten um das Humboldt Forum, um Kolonialismus und Postkolonialismus, um Diversitäts- und Genderfragen, vermutlich anders aussehen. Ich erinnere eine kleine Medienstation und Computeranimation (so hieß das damals noch), die wir zusammen mit einer Hamburger Firma entwickelt haben. Es ging um die „Entdeckungsfahrt“ von Kolumbus und die Frage, ob er sich vielleicht absichtlich „verrechnet“ hat, was den Seeweg nach Indien anging. Das war vor gut 30 Jahren und wenn man sich überlegt, wo wir heute mit den digitalen Medien stehen – ein Wahnsinn! Die Frage des Einsatzes von digitalen Medien in Ausstellungen hat mich übrigens seit jeher begleitet. Zum anderen wird mir immer ein Ausstellungserlebnis im Metropolitan Museum of Art in New York, ebenfalls 1992, unvergesslich bleiben: in einer umfangreichen Präsentation wurden Artefakte aus New Guinea gezeigt – ich saß dort lange und stumm vor Staunen, so dass ich kaum etwas anderes in dem Museum gesehen habe. Und das bei meinem ersten Besuch im Met…

5. Was ist für Sie persönlich die größte Herausforderung im Berufsbild der Museumsdirektorin?
Nicht nur Arbeit, sondern auch Verantwortung an das Team zu delegieren, ohne dass man selbst die Hauptverantwortung auf- oder abgibt – insofern diese in meinem Fall bei mir liegt, und nicht beim Vorstand der Stiftung Historische Museen Hamburg, zu der das Museum für Hamburgische Geschichte gehört. „Loslassen“ können und akzeptieren, dass andere die Arbeit vielleicht etwas anders machen. Das sind oft Prozesse, für die es auf allen Seiten Geduld und Gelassenheit ebenso wie ein wenig Mut und viel Vertrauen braucht. Eine Lebensaufgabe!

6. Bitte stellen Sie uns mit einem Satz vor: das größte, das wertvollste und das wundersamste Objekt Ihrer Sammlung?
Das größte Objekt ist vermutlich der Hafenkran aus der Sammlung des Museum für Hamburgische Geschichte, der aufgrund seiner Ausmaße nicht im Museum selbst gezeigt werden kann. Stattdessen möchte ich hier lieber über eines der kleinsten, neuesten, garantiert wundersamsten Objekte berichten, das seit meiner Dienstzeit, die genau mit dem Lockdown im November letzten Jahres begann, in unsere (Corona-)Sammlung gelangt ist: ein kleines in Höhe 1,6 cm messendes Injektionsfläschchen von Pfizer-BioNTech mit dem „COVID-19 Vaccine“, das Vial mit der ersten, am 27. Dezember 2020 in Hamburg verabreichten Impfdosis gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2. Das leere Fläschchen wurde uns durch die Hamburger Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration übersandt. Ein kleines Objekt für die Sammlung und ein großer, wertvoller Schritt zur Bekämpfung der Pandemie.

7. Welche Kooperation – ob mit Stiftungen, anderen Museen, Wirtschaftsunternehmen, sozialen Einrichtungen oder anderen – hielten Sie für besonders gelungen und warum?
In der Vergangenheit habe ich mehrfach mit der Kulturstiftung des Bundes zusammengearbeitet, das war immer sehr fruchtbar. Im Konjunktiv gesprochen, hielte ich alle Kooperationen für wichtig und gelungen, die das Museum noch stärker mit der Stadt und der Stadtgesellschaft vernetzen, die zu Partizipation und Teilhabe einladen. Ich bin ja noch relativ neu in Hamburg und freue mich über jede Zusammenarbeit und Unterstützung – insbesondere auch mit Blick auf die anstehende Modernisierung und das Jubiläum. Ein großer Gewinn für das Haus war und ist aktuell die Kooperation mit dem Haus des Engagements.

8. Welche Besucher*innengruppen wünschten Sie sich noch oder mehr in Ihrem Haus begrüßen zu dürfen? Welche Maßnahmen sehen Sie, diese erreichen zu können?
Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft, junge Menschen, für die Museen oft zu langweilig sind, und Menschen, die noch nie in einem Museum waren! Wir hoffen, dass wir mit der Modernisierungsmaßnahme das Museum noch stärker öffnen und transparenter wie auch barrierefreier gestalten können. Das für mich nach wie vor Wichtigste: einfach eine oder mehrere gute Geschichten erzählen!

9. Und schließlich: Was möchten Sie in Ihrem Museum noch erleben?
Eine termingerechte Wiedereröffnung nach einer hoffentlich gelungenen Modernisierung und eine viele Besucher*innen ansprechende Neugestaltung. Und nach Corona: eine große Feier und ordentliche Party in unserem schönen, überdachten Innenhof!!

Vielen Dank!

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