Direktor*innen-Dienstag #5

Direktor*innen-Dienstag mit der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen

Hamburgs Museumsdirektor*innen stehen uns Rede und Antwort: Alle zwei Wochen beantworten sie 9 Fragen zu ihrem Haus, zum Beruf und zu sich. Heute begrüßen wir Prof. Dr. Detlef Garbe, Vorstand Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen.

1. Welche Stadt, welches Land bzw. welche regionalen oder kulturellen Einflüsse haben Sie in Ihrem Denken besonders geprägt?
Zum einen meine Geburtsstadt Göttingen, der Solling und das Weserbergland, zum anderen Berlin und Krakau, wo ich 20-jährig anstelle des Wehrdienstes einen Freiwilligendienst mit der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste absolvierte.

2. Seit wann leben Sie in Hamburg?
Seit 1978, also mit Abstand die meiste Zeit meines Lebens.

3. Welche Museen, Kultureinrichtungen oder Gedenkorte haben Sie in Ihrer Arbeit nachhaltig beeinflusst?
Das Museum für Hamburgische Geschichte, in dem ich 1989 meine erste feste Stelle antrat; die Werkstatt 3 in Altona, weil ich dort erfuhr, wie vielfältig kulturelles Leben in einer offenen Gesellschaft aufgestellt sein kann und die Gedenkstätte Neuengamme, weil sie mir die enge Verflechtung des NS-Terrors mit der Stadtgesellschaft und die Nachwirkungen bis in die Gegenwart hinein bewusst machte.

4. Welche Ausstellung ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben und warum?
Die Ausstellung „400 Jahre Juden in Hamburg“, die 1991/92 im Museum für Hamburgische Geschichte gezeigt wurde und erstmals die zahlreichen Facetten jüdischen Lebens (religiös, kulturell, wirtschaftlich, sozial) sowie die Geschichten von Ausgrenzung, Emanzipation, Verfolgung und Neuanfang beleuchtete.

5. Was ist für Sie persönlich die größte Herausforderung im Berufsbild des Museumsdirektors?
Neben den zahlreichen administrativen, moderierenden, beratenden Aufgaben, die sich weit über die Einrichtungen der Stiftung und das eigene Bundesland hinaus auf erinnerungskulturelle und geschichtspolitische Fragen erstrecken, genügend Zeit zu finden, die aktuellen wissenschaftliche Debatten aufzunehmen und gelegentlich zu kommentieren.

6. Bitte stellen Sie uns mit einem Satz vor: das größte, das denkwürdigste und das wundersamste Objekt Ihrer Sammlungen?
Unsere größten Objekte sind die baulichen Hinterlassenschaften des ehem. KZ Neuengamme, wobei allein das Klinkerwerk eine Geschossfläche von fast 20.000qm einnimmt. Das für mich denkwürdigste Objekt ist die Taschenuhr des am 19.09.1933 getöteten Lübecker Journalisten Dr. Fritz Solmitz, der in ihrem Inneren auf winzig kleine Notizzettel von den ihm im KZ Fuhlsbüttel in den Tagen vor seinem Tod zugefügten Misshandlungen berichtete. Das wundersamste Objekt ist vielleicht eine Cognacflasche mit Aufdruck der französischen Amicale de Neuengamme in unserem Ausstellungsbereich „Weiterleben nach der Befreiung“.

7. Welche Kooperation – ob mit Stiftungen, anderen Museen, Wirtschaftsunternehmen, sozialen Einrichtungen oder anderen – hielten Sie für besonders gelungen und warum?
Seit Jahrzehnten pflegen wir eine sehr enge Kooperation mit den Gedenkstätten an den Orten der Außenlager des KZ Neuengamme, von denen sich einige, wie der Denkort Bunker Valentin in Bremen-Farge, die Gedenkstätte Ahlem in Hannover oder die Dokumentationsstätte KZ Drütte auf dem Gelände der Stahlwerke in Salzgitter auch mit unserer Unterstützung zu bedeutenden zeitgeschichtlichen Museen entwickelt haben.

8. Welche Besucher*innengruppen wünschten Sie sich noch oder mehr in Ihrem Haus begrüßen zu dürfen? Welche Maßnahmen sehen Sie, diese erreichen zu können?
In Vor-Corona-Zeiten hatten wir jährlich über 100.000 Besucherinnen und Besucher, zur einen Hälfte waren dies die über 2000 durch uns begleiteten Gruppen und Schulklassen und zur anderen Hälfte individuell anreisende Gäste, davon viele aus dem Ausland. Wir würden uns freuen, wenn noch mehr Menschen ihre Schwellenangst überwinden und der Lernort noch stärker von anderen als den weiterführenden Schulen besucht werden würde.

9. Und schließlich: Was möchten Sie in Ihrem Museum noch erleben?
Die Eröffnung des Dokumentationszentrums denk.mal Hannoverscher Bahnhof in der Hafen-City. Aber da ich Mitte 2022 aus dem Berufsleben ausscheiden werden, dürfte ich dies dann wohl nur noch als Gast erleben.

Vielen Dank!

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