Direktor*innen-Dienstag #18

Direktor*innen-Dienstag mit dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Hamburgs Museumsdirektor*innen stehen uns im Jahr 2021 Rede und Antwort: Ein Jahr lang beantworteten sie uns im Wechsel alle zwei Wochen 9 Fragen zu ihrem Haus, zum Beruf und zu sich. Heute begrüßen wir Prof. Tulga Beyerle, Direktorin des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg.

1. Welche Stadt, welches Land bzw. welche regionalen oder kulturellen Einflüsse haben Sie in Ihrem Denken besonders geprägt?

Ich bin geprägt von meiner Heimatstadt Wien, aber in einem ambivalentem Verhältnis! Ich liebe die Stadt, aber brauche Distanz. Ich liebe das Leben dort, ziehe es aber vor, in Hamburg zu arbeiten.

2. Seit wann leben Sie in Hamburg?

Seit Dezember 2018.

3. Welche Museen, Kultureinrichtungen oder Gedenkorte haben Sie in Ihrer Arbeit nachhaltig beeinflusst?

Es gibt Orte, Museen, die ich in der perfekten Balance zwischen Architektur, Exponaten, Art der Präsentation und eventuell dem Ort, wo das Museum steht, besonders liebe – das wären das Museum Louisiana bei Kopenhagen oder das Museum Kolumba in Köln. Aber ein ganz besonderes Museum möchte ich noch erwähnen – das Nationalmuseum für Ethnologische Kunst, Dekorative Kunst oder auch Volkskunst in Bukarest. Das Außergewöhnliche ist die Art der Präsentation, mit ungewöhnlichen Installationen als Objektträgern werden die Objekte aus dem Bereich Volkskunst und der dekorativen Künste mit viel Liebe und Sorgfalt sehr unmittelbar und ideenreich präsentiert. Ich habe nie wieder etwas Vergleichbares gesehen.

4. Welche Ausstellung ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben und warum?

Ich muss zugeben, dass meine eigenen frühen Ausstellungen mich geprägt haben. 2001 wurde ich eingeladen, mit Vitus H. Weh eine Ausstellung am Künstlerhaus Wien mit dem Titel „Global Tools“ zu entwickeln. Es ging um Digitalisierung, um Netzwerke und Zellen, um alte und neue Überlebens-Werkzeuge, die wir täglich in der Hand haben. Viele davon waren damals kaum entwickelt, einige Themen der Ausstellung waren mehr Vermutungen, Thesen als Realität.  Es ist spannend, zurückzublicken und zu begreifen, wie schnell und grundlegend die Digitalisierung unsere Welt verändert hat. In diesem Sinne bleiben mir Themenausstellungen das spannendste Arbeitsfeld, besonders im Bereich Design. Eine Ausstellung, die ich mir zweimal angeschaut habe, war „Broken Nature“ von Paola Antonelli in Mailand, eine der wichtigsten Design-Kuratorinnen unserer Zeit.

5. Was ist für Sie persönlich die größte Herausforderung im Berufsbild der Museumsdirektorin?

Die fehlenden Ressourcen – Geld, Personal, Zeit.

6. Bitte stellen Sie uns mit einem Satz vor: das größte, das wertvollste und das wundersamste Objekt Ihrer Sammlung?

Diese Frage kann ich nicht beantworten. Die Sammlung des MK&G umfasst über 600.000 Objekte, ich habe nicht mal annähernd eine Idee, was ich noch alles entdecken kann! Daher will ich mich nach nur drei Jahren nicht festlegen.

7. Welche Kooperation – ob mit Stiftungen, anderen Museen, Wirtschaftsunternehmen, sozialen Einrichtungen oder anderen – hielten Sie für besonders gelungen und warum?

Ich arbeite ausgesprochen gerne mit unseren Freundeskreis, der Justus Brinckmann Gesellschaft zusammen – es ist eine wirkliche Freude, solche Freunde zu haben. Unsere Nachbarn sind mir auch wichtig – das Drob Inn mit Christine Tügel und Peter Möller sind Partner und Freunde, ebenso Frauke Untiedt von den Bücherhallen. Überhaupt finde ich die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen der Museen in Hamburg sehr angenehm. Darüber hinaus schätze ich das ehrliche Interesse und die Großzügigkeit des Hamburger Bürgertums.

8. Welche Besucher*innengruppen wünschten Sie sich noch oder mehr in Ihrem Haus begrüßen zu dürfen? Welche Maßnahmen sehen Sie, diese erreichen zu können?

Seit September 2020 befindet sich in der Mitte, quasi im Herz des Museums, der Freiraum. Als konsumfreier Raum steht er allen Menschen ohne Ticket zur Verfügung und hat als lebendiges Zentrum der Gastfreundschaft unser Haus, aber auch unsere Besucherstruktur verändert. Wenn es uns gelingt, manche dieser Menschen, die über ein Projekt temporär in den Freiraum und damit ins Museum kommen, dauerhaft für das Museum zu gewinnen, das wäre großartig. Wir sind auf dem Weg, aber es dauert noch.

9. Und schließlich: Was möchten Sie in Ihrem Museum noch erleben?

Ich möchte in diesem herrlichen Haus mit seiner Geschichte als Museum und Schulgebäude eine Mischung aus Kontemplation und lebendiger Diskussion erleben. Wenn ein Gast durch unser Haus wandelt, sich plötzlich umringt von Kindern oder Jugendlichen mitten in einer angeregten Diskussion wiederfindet, dann wieder ruhige Räume voller Schönheit vorfindet – das fände ich schön.

Vielen Dank!

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