Direktor*innen-Dienstag #10

Logos vom Museumsdienst Hamburg und von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme
Direktor*innen-Dienstag mit KZ-Gedenkstätte Neuengamme

Hamburgs Museumsdirektor*innen stehen uns Rede und Antwort: Alle zwei Wochen beantworten sie 9 Fragen zu ihrem Haus, zum Beruf und zu sich. Heute begrüßen wir Dr. Oliver von Wrochem, Leitung KZ-Gedenkstätte Neuengamme.

1. Welche Stadt, welches Land bzw. welche regionalen oder kulturellen Einflüsse haben Sie in Ihrem Denken besonders geprägt?

Ich bin in San Diego geboren, wo meine Eltern zu dieser Zeit gearbeitet haben. Daher habe ich zwei Staatsbürgerschaften. Stark geprägt hat mich meine langjährige Heimatstadt Köln, in der ich aufgewachsen bin und knapp 20 Jahre gelebt habe. Seit meiner Jugendzeit bin ich sehr viel in Europa mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, weshalb mir die europäischen Verbindungen sehr viel bedeuten.

2. Seit wann leben Sie in Hamburg?

Ich bin 1989 nach Hamburg gekommen und habe dann hier Geschichte und Germanistik studiert.

3. Welche Museen, Kultureinrichtungen oder Gedenkorte haben Sie in Ihrer Arbeit nachhaltig beeinflusst?

In meiner Arbeit nachhaltig beeinflusst haben mich Gedenkstätten und Museen in Deutschland, die an das nationalsozialistische Unrecht und die DDR-Vergangenheit erinnern. Mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme bin ich bereits seit Ende der 1990er Jahre verbunden, habe dort in Projekten pädagogisch und wissenschaftlich gearbeitet. 2009 habe ich als Leiter des Studienzentrums fest angefangen.

4. Welche Ausstellung ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben und warum?

Die beiden Hamburger Wehrmachtsausstellungen haben mich sowohl politisch als auch wissenschaftlich sehr geprägt. Bei der ersten habe ich das wissenschaftliche Begleitprogramm koordiniert, bei der zweiten war ich Teil des Ausstellungsteams. Die Mitarbeit an diesem Projekt hat mir vor Augen geführt, dass die nationalsozialistische Vergangenheit in unserer Gesellschaft noch sehr präsent ist. Gerade heute treten revisionistische Tendenzen auf, denen wir entschieden entgegentreten müssen.

5. Was ist für Sie persönlich die größte Herausforderung im Berufsbild des Museumsdirektors?

Die größte Herausforderung als Leiter einer großen Gedenkstätte ist, die vielfältigen Interessen der Mitarbeiter*innen, der ehrenamtlich Aktiven, der Verbände ehemals Verfolgter und ihrer Angehöriger sowie der politischen Vertretungen von Bund und Land auszutarieren. Es braucht ein gutes Gespür dafür, an Bewährtes anzuknüpfen und zugleich Innovationen möglich zu machen.

6. Bitte stellen Sie uns mit einem Satz vor: das größte, das wertvollste und das wundersamste Objekt Ihrer Sammlung?

Das größte Objekt ist das erhaltene ehemalige Klinkerwerk des KZ Neuengamme, beeindruckend ist insbesondere dessen Rampe. Es ist gleichzeitig auch das denkwürdigste Objekt, da es uns die Dimension der Zwangsarbeit der KZ-Häftlinge deutlich vor Augen führt. Zu den wundersamen Objekten gehören für mich Gegenstände, die sich SS-Angehörige von Häftlingen anfertigen ließen. Scheinbar banale Dinge wie Zigarettenetuis zeugen vom Machtgefüge im Konzentrationslager.

7. Welche Kooperation – ob mit Stiftungen, anderen Museen, Wirtschaftsunternehmen, sozialen Einrichtungen oder anderen – hielten Sie für besonders gelungen und warum?

Wir pflegen seit vielen Jahren eine enge Beziehung zu Hamburger und bundesweit operierenden Stiftungen sowie zu Universitäten und Ausbildungseinrichtungen. Besonders gelungen finde ich Kooperationen, bei denen sich die beteiligten Partner*innen aktiv einbringen können. Hier eine herauszugreifen fällt mir schwer.

8. Welche Besucher*innengruppen wünschten Sie sich noch oder mehr in Ihrem Haus begrüßen zu dürfen? Welche Maßnahmen sehen Sie, diese erreichen zu können?

Es wäre sehr schön, wenn mehr Besucher*innen aus dem östlichen Europa unsere Einrichtung besuchen könnten, weil eine große Zahl der KZ-Häftlinge aus diesem geografischen Raum stammten. Dazu bauen wir verstärkt Kooperationen auf. So arbeiten wir derzeit in Projekten u.a. mit Einrichtungen aus Polen, Tschechien, Lettland, Russland, Belarus zusammen. Es ist dafür auch wichtig, das fremdsprachige Angebot auszuweiten.

9. Und schließlich: Was möchten Sie in Ihrem Museum noch erleben?

Die Ausstellungen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme stammen aus dem Jahr 2005. Inzwischen ist die Forschung fortgeschritten, auch haben sich Sehgewohnheiten und Interessen gewandelt. Es braucht deshalb ein neues Konzept. Ebenso notwendig ist die Aktualisierung der bestehenden Gedenkstätten an Orten ehemaliger Außenlager des KZ Neuengamme. Als derzeitiger Projektleiter für das Dokumentationszentrum denk.mal Hannoverscher Bahnhof hoffe ich auf eine zeitnahe Fertigstellung und eine gute Resonanz dieses neuen Museums in Hamburg.

Vielen Dank!

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